Unfall durch elektrischen Strom

Nach wie vor verunglücken Menschen und Tiere bei Kontakt mit spannungsführenden, oft fehlerhaften Betriebsmitteln/Leitungen oder durch unvorschriftsmäßiges Verhalten. Vorausschauend, oft auch aus Ergebnissen von Versuchen, wurden praxiswirksame und meist international verbindliche Vorschriften erarbeitet. Die darin verankerten Grenzwerte vermeiden, oft anwendungsorientiert, schwere oder gar tödliche Unfälle durch elektrischen Strom.

Bereits vor der Einführung technischer Elektrizität (Beispiele: Elektrische Beleuchtung, Antrieb von Maschinen mit Elektromotoren) begannen Untersuchungen zur Wirkung natürlicher Elektrizität – z. B. „was passiert bei Blitzstromunfällen?“. Es folgten über einen langen Zeitraum experimentelle Untersuchungen zur Wirkung verschiedener Stromformen unterschiedlicher Amplituden (z. B. Muskelkontraktionen, wie sie im Experiment bei Fröschen provoziert werden konnten).

Sinusförmiger Wechselstrom der Industriefrequenzen 50/60 Hz bedient die meisten Anwendungsgebiete bei der Nutzung von elektrischer Energie in Industrie und Haushalt. Lücken in der Risikobewertung von Durchströmungen bei Mensch und Großtier bestanden lange. Zum Teil bestehen einige noch immer (Beispiele: Gleichspannung, nichtsinusförmige Ströme). Einen Grund – unter anderen – bildete die Unsicherheit, wie und über welche Mechanismen das Herz bei elektrischer Durchströmung reagiert. Für Bewusstlose nach Blitzstromeinwirkung prägte Stephan JELLINEK Ende des 19. Jahrhunderts das Wort „Scheintod“.

Der Autor leistete durch Mitarbeit in zuständigen Gremien das Wissen über die Gefährdung zu erweitern (siehe Publikationsverzeichnis). Außerdem wurde er angeregt, durch eigene Versuche an Labortieren, später an Schlachtvieh (wie dies früher noch möglich war), Ursachen, Grenzen und Ausmaß von Herz- und Blutdruckverhalten bei elektrischer Durchströmung zu untersuchen. Es gelang, wichtige Schlussfolgerungen für das Entstehen durchströmungsbedingter Herzunregelmäßigkeiten qualitativ und quantitativ herauszuarbeiten. Zusammengefaßt ergaben sich folgende ergänzende Gesichtpunkte zur Pathophysiologie elektrischer Durchströmungen:

  • Während einer elektrischen Wechselstrom-Durchströmung des Herzens kommt es mit steigender Stromstärke zu immer stärkeren Unregelmäßigkeiten des sonst bei Gesunden regelmäßigen Herzschlages. Endstation ist das Herzkammerflimmern, das unbehandelt in wenigen Minuten zum Tod führt. Der zeitgleich abnehmende zentrale Blutdruck gilt als wichtiger (ertastbarer) Beweis: „Kein Puls !!!“.
Durchströmungsversuch (Ratte, 300 Hz):
Mit zunehmender Amplitude des Reizstromes verstärkten sich anhand dieser Aufzeichnungen
des Elektrokariogramms (EKG) und des zentrales Blutdrucks deutlich erkennbare Veränderungen.
Im Rattenversuch kehrten das zunächst die Durchströmung überdauernde Herzkammerflimmern
und damit der Blutdruck zu Ausgangswerten zurück.
Dies ist bei Kleintieren im Gegensatz zum Menschen
mit deutlich unterschiedlichen Körpergewichten (Gramm/Kilogramm) der Fall.
Bei diesen können sich sogenannte „Kreisende Erregungen“ nicht ausbilden.
  • Für im Industriebereich dominant angewandte sinusförmige Ströme (50/60 Hz) kann aus Erfahrung, unterstützt durch Tierversuche, die Schwelle für die Auslösung von Herzkammerflimmern in Abhängigkeit von Stromweg, Durchströmungszeit und Körpergewicht sicher bestimmt werden („Herzkammerflimmerschwelle“).
  • Mit den gemeinsam mit Dr. S. EGGERT durchgeführten Untersuchungen an >100 Schlachtschweinen im Ostberliner Schlachthof konnte die Dimensionierung von Fehlerstromschutzschaltern zuverlässiger begründet werden. Der Nestor dieser inzwischen weltweit angewandten Schutz-technik („FI-Schutz“), Prof. Dr. G. BIEGELMEIER aus Österreich, versicherte sich vor seinen bedeutsamen Selbstversuchen im Berliner Institut für Arbeitsphysiologie, dass bei Wechselstrom 50/60 Hz die Stromkreisunterbrechung innerhalb von 100 ms für Gesunde mit an hoher Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum tödlichen Kammerflimmern führt.
Verlauf der Flimmerschwelle, an > 100 Schlachtschweinen
mit einem Bestimmtheitsmaß > 95% ermittelt.
Es bedeuten:
1 – Oberer Grenzwert, 2 – Mittelwert, 3 – unterer Grenzwert
Deutlich sinkt die Gefahr mit Unterschreiten der Durchströmungszeit von 100 ms.
Mit 500 ms erreicht der Verlauf seinen niedrigsten Wert.
Bezogen auf 50/60 Hz Wechselstrom können sich die in Normen festgelegten Grenzwerte bei diesen Durchströmungszeiten etwa um den Faktor 12 unterscheiden.
  • Alle Tierversuche stimmten mit der über Jahrzehnte weltweit erarbeiteten Erfahrung überein: Die oft weitverbreitete Angst von Herzgesunden vor gesundheitlichen Spätfolgen durch sogenannte elektrische Wischer (Durchströmungszeit < 100 ms) ist eher unbegründet.

Die umfangreichen Erkenntnisse aus Literatur, Fachgesprächen und eigener Forschung fanden eine Ergebniszusammenfassung auch in 5 Filmen (Herstellung u. a. im Auftrag der Akademie für Ärztliche Fortbildung). Einige erhielten Diplome im In- und Ausland.

Die Titel lauteten:

  • Die Wirkung des elektrischen Stroms auf den Menschen
  • Verhütung von Elektrounfällen auf Baustellen
  • Niederspannungsunfall – Bergung und erste Hilfe
  • Hochspannungsunfall – Bergung und Erste Hilfe
  • Schutzmaßnahmen in Niederspannungsanlagen
Der Autor bei Dreharbeiten