Arbeiten unter Spannung

Gewarnt wird beim Umgang mit Elektrizität: „Gefahr – nicht anfassen“! Erst recht gilt das bei Spannungen über 1000 Volt für Laien und Elektriker.
Ein Arbeiten an spannungsführenden Anlagen mit bloßen Händen widersprach allen bis dahin gelehrten Verhaltensmaßnahmen.
Die „Bloße-Hand-Methode“ kam in´s Gespräch, d. h. ein Verfahren zu entwickeln, um isoliert vom Erd- oder Potential anderer Betriebsmittel Wartungsarbeiten durchzuführen.
Das abgekürzt neue AuS-Verfahren (Arbeiten unter Spannung) wurde in der DDR im Rahmen einer Forschungsgemeinschaft entwickelt und in die Praxis überführt. Zwei wichtige Begründungen führten dazu:

  • In anderen Ländern (z. B. Frankreich) arbeitete man bereits mit isolieren-den (Erde gegen Leiterpotential), langen Werkzeugen, um Instand-haltungsmaßnahmen an Freileitungen oder in Umspannwerken durch-zuführen. Das bedeutete hohe körperliche Anstrengung für die Ausführenden und auf Entfernung sehr genaues Arbeiten. Das Verfahren kam nicht infrage.
  • Die Energieversorgung über Freileitungen verlangte Kontinuität. Abschaltungen, z. B. bei Verschmutzung oder Bruch von Langstab-isolatoren, sollten möglichst vermieden werden.

Der Autor setzte auf physikalische Gesetze (Prinzip des Faradaykäfigs !), entwickelte einen leitfähigen Schutzanzug (leonisches Gewebe) mit zugehöriger Potentialausgleichsvorrichtung. Im Hochspannungslabor der TU Dresden koppelte er sich (wohl als erster?!) auf hochisolierender, glasfaserverstärkter Leiter im Schutzanzug über die Ausgleichsvorrichtung an die Leitungsnachbildung, die stufenweise auf 110 kV hochgefahren wurde. Das Annähern und Abkoppeln wurde – geräuschvoll-spratzend – von einer kapazitiven, kalten Lichtbogenentladung begleitet.

TU Dresden, der Autor,
isolierend gegen Erdpotential auf einem Porzellanisolator stehend.
Ihn schützt der aus leitfähigem Gewebe bestehende Schutzanzug (Faradayscher Käfig), angekoppelt über die Potentialausgleichsvorrichtung an die 110 kV-Wechselspannung führende Leiternachbildung.

Mit dem Beweis der Ungefährlichkeit dieser Methode wurden – bei hohem Entwicklungstempo – zugehörige Werkzeuge und erste Montageanweisungen entwickelt. Fast zeitgleich konnte das kollektive Training mit in der Wartung von Hochspannungstechnik erfahrenen Monteuren begonnen werden. Die neue Technologie wurde für alle Hochspannungsebenen angepaßt.